“Kreuzschmerzen” – das Debüt der jungen Walliser Autorin – ist nur oberflächlich betrachtet ein Kriminalroman. Es geht um das zerrüttete Verhältnis eines vom katholischen Vaters (eines Laienpredigers) missbrauchten Mädchens, das Vergeltung an der Kirche übt, in dem es immer wieder Einbrüche in Gotteshäuser begeht. Warum mich dieses Buch seit Tagen beschäftigt? Vielleicht hat es mit den Enthüllungen um die Kirche im Wallis zu tun. Der Abt von St-Maurice, Jean César Scarcella, der in einer Voruntersuchung wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch beschuldigt wurde, hat letzte Woche angekündigt, sein Amt ruhen zu lassen. Unserem Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, wird die Vertuschung von Missbrauchsfällen vorgeworfen. Bei einer Pressekonferenz letzte Woche hatte er beteuert, er werde sich zurückziehen, wenn die Untersuchung ihn belasten sollte. Eine Entschuldigung an die Opfer sieht anders aus.
Lassanders Krimi spielt vorwiegend bei uns im Wallis, am Ende des Eifischtals und im “Galgenwald” von Leuk, dem Pfynwald. Das Buch lässt einem an manchen Stellen das Blut in den Adern gefrieren, vor allem in den Rückblenden auf das Leben der Einbrecherin. Die Heldin heisst einfach nur L. Es wird nie geklärt, wofür der Name steht. Vielleicht für Lassander? Beim Lesen hatte ich immer wieder den Eindruck, dass dieses Buch stark autobiografisch geprägt ist. Die sprachliche Dichte ist überwältigend, derartiges findet sich heute selten in der Schweizer Literatur. Ich kann diesen Roman nur allen empfehlen, die einem Einblick in die finsteren Täler des Schweizer Katholizismus nicht fürchten.