Ein opulentes Epos entführt uns in die Renaissance, in das Leben des berühmten Malers Raffael Sanzio und in eine Zeit voller Unbeständigkeit, kriegerischer Auseinandersetzungen und Intrigen.
Noah Martin hat Kunstgeschichte studiert und das ist ihrem Debütroman anzumerken, wenn sie uns detailliert von den Kunstwerken der damaligen Zeit und den Techniken erzählt, die verwendet wurden. Mehr als einmal habe ich, die ich ansonsten keine Ahnung von Kunst habe, mir gewünscht, die Werke nun doch endlich einmal vor Ort zu betrachten.
Martin schreibt nicht nur aus der Perspektive Raffaels, den wir ab dem Tod seines Vaters 1494 begleiten, sondern auch aus zahlreichen weiteren Perspektiven, darunter ein junger Priester, Daniele, einer seiner Rivalen, Sebastiano Luciani, seine grosse Liebe, Margherita, einen Söldnerführer, Vitellozo Vitelli, und seine zeitweilige Geliebte, Felice della Rovere. Mit jedem Kapitel nehmen wir eine neue Perspektive ein, springen an einen anderen Ort und oft auch in der Zeit nach vorne. Bei all den Namen braucht es daher etwas an Konzentration beim Lesen, auch wenn Martin uns mit einem Personenregister am Anfang, einer Landkarte im Vorsatz und natürlich mit den Orts- und Zeitangaben in der Kapitelüberschrift bei der Orientierung aushilft.
Durch die Perspektivwechsel erhalten wir jedoch auch einen weitaus breiteren Einblick in die damalige Epoche, vor allem durch den Priester Daniele, einen Freund Raffaels, der nach Rom geht, dort in die Intrigen und die Politik des Vatikan verstrickt wird und am Puls der Zeit lebt.
Mit Raffael wiederum tauchen wir in die Welt der Kunst ein und treffen gemeinsam mit ihm auf Leonardo da Vinci und Michelangelo. Anhand seines Beispiels wird deutlich, wie schwierig es war, ein eigenständiges Leben nach den eigenen Vorstellungen zu führen und wie sehr sie beinahe alle Spielbälle der Mächtigen und/oder der Konvention waren.
Haltestellen auf unserem Weg sind neben Urbino, Raffaels Geburtstadt, Faenza, Perugia, Siena, Venedig, Florenz, Ravenna und natürlich Rom. Raffael wird als freundlicher, offener und vertrauensseliger Mann beschrieben, dessen unglückliche Liebe zu Margherita seinen Ehrgeiz weckt. Michelangelo, sein grösster Widersacher, als ein von Neid und Misstrauen zerfressenes Genie. Mit Margherita und Felice haben wir zwei intelligente und schöne Frauen, die vom Charakter und ihrer Geburt her ganz unterschiedlich sind und sich doch beide darin ähneln, ihr Leben nach ihren Vorstellungen leben zu wollen, aber nicht immer zu können.
Ich habe es zutiefst genossen, mit Noah Martins «Raffael» in die Renaissance in Oberitalien und in das Leben dieses Ausnahmekünstlers eintauchen zu können, von dem ich vorher so wenig wusste.