Seraina Koblers Debütroman von 2020 ist düster, beklemmend und zugleich (trügerisch?!) hoffnungsvoll.
In einer nahen Zukunft blickt die Ich-Erzählerin rückblickend vom November auf den vergangenen Frühling und versucht herauszufinden, ob sie die jetzige Situation nicht schon hätte kommen sehen müssen. Die jetzige Situation? Im Grossen ist es das verheerende, viel zu heisse Wetter, das in einem schweren Waldbrand nahe ihrer Wohnung in Zürich gipfelt. Im Kleinen will ich es noch nicht verraten.
Kobler zeigt eine mögliche Zukunft unseres Klimas auf, stützt sich dabei aber auf jahrhundertealte Wetteraufzeichnungen und veranschaulicht, dass ihr beinah apokalpytisches Szenario nicht völlig unwahrscheinlich ist.
Gleichzeitig thematisiert sie unser Gesellschaft (herrlich absurd der Aufstieg auf den Berg und die von anderen Touristen mitgeschleppten Gerätschaften sowie die Jahrmarktstimmung am Fuss der Bergbahn). Im Zentrum steht aber Anna, 28, abgebrochenes Biologiestudium, Einzelkind geschiedener Eltern, neu in Zürich, in einer Bar arbeitend, gerne feiernd, frisch verliebt und doch schon wieder getrennt.
Die äusseren und inneren Konflikte werfen sie langsam zurück auf das Wesentliche. Ihre Welt wird enger und ihre Wahrnehmung dehnt sich gleichzeitig aus. Ihre Erzählung ist in die Abschnitte “Morgen”, “Mittag”, “Abend”, “Nacht”, “Dämmerung”, “Ein Jahr später” eingeteilt und in kurze Abschnitte gegliedert. Sie springt von einem zum anderen Abschnitt durch Zeit und Raum, nimmt gleich zu Anfang Wichtiges vorweg, sodass wir uns mit ihr zurückarbeiten zum Anfang, zum Wie und Warum.
Kobler setzt Präsens und Präteritum gezielt ein als zeitliche Markierung. Ihre Schreibweise ist fast meditativ, beobachtend und es gibt wenige Dialoge.
“Regenschatten” erdet und beunruhigt gleichermassen und bleibt, zusammen mit dem brennenden Vogel auf dem Cover, noch lange in Erinnerung.