1942, Frankreich zittert vor den deutschen Besatzern. Zwar hat sich Petain als Zudiener der “Boches” in seinem Vichy-Regime in seiner Zone eingerichtet. Marseille erscheint in diesen Tagen als letzte Möglichkeit Europa zu verlassen und sich vor Hitlers Häschern in Sicherheit zu bringen. Juden, Kommunisten und unerwünschte Intellektuelle bevölkern die Strassen und Gassen rund um den alten Hafen. Glücklich, wer Papiere hat, die dies erlauben. Widerstandsnetze versuchen Hand zu bieten, um Verfolgten zu helfen. Da wird gefälscht, da wird betrogen, da werden Anschläge auf Infrastrukturen ausgeführt. Da sind aber auch die Handlanger, die sich als Gehilfen bei Deportationen aufplustern, die willfährigen Auftragserfüller, die kein Mitgefühl zeigen. Die anpassungsfähige Bourgeoisie, die sich ihre Pfründe sichert. Die Lebensmittel sind knapp, der zu entrichtende Tribut an die Besatzer hoch, der Schwarzhandel blüht. Diese Halbwelt der zweitgrößten Stadt Frankreichs bildet die Kulisse der Schicksale, die uns der Autor atmosphärisch dicht, spannend und auch ergreifend schildert. Er beweist Gespür für gut getimte Pointen und clevere philosophisch geprägte Dialoge. “Planet ohne Visum” erschien letzten Herbst erstmals in deutscher Übersetzung, erstmals erschienen ist es in Frankreich 1948, eine Abrechnung mit den sehr Anpassungsfähigen, die für Furore sorgte. Das Buch präsentiert sich als cleverer Mix einer Hommage an die Grossstadt Marseille und literarisches Vermächtnis eines Zeitzeugen. Sprachgewaltig und stilsicher erzählte Grosstadtatmosphäre und spannender Widerstandsthriller, in jedem Fall werden anspruchsvolle Leser*innen auf ihre Kosten kommen. Der Verfasser Jean Malaquis war selber polnischer Jude, einer der nicht mehr erwünschten linken Intellektuellen, der 1940 mit Mühe fliehen konnte. Wie seine Protagonisten war auch er auf Rettung und Fürsprache aus Übersee angewiesen. “Planet ohne Visum” wurde letzten Herbst erstmals in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Wurde auch Zeit, man kann dem Verlag und der versierten Übersetzerin Nadine Püschel nur dankbar sein.