Im ersten Teil versucht Petersen aus den Schriften der vier Evangelien die Person ‘Maria aus Magdala’ heraus zu schälen, nachdem diese über die Jahrhunderte der Überlieferung und Rezeption immer mehr ihre eigentliche Kontur verloren hat. In den Evangelien erscheinen bekannterweise diverse Marien oder namenlose Frauen - die immer mehr zu der einen Maria aus Magdala verschmolzen. - Auch wenn es Petersen gelingt, diese Schichten abzutragen, bleiben doch viele Leerstellen - die wiederum Legende und Fantasie gefüllt haben - oder die apokryph gewordenen Schriften. In denen blättert Petersen ebenso ausgiebig. Dabei wird überraschend offenbar, wie schon in der Antike die Kollissionen der Geschlechterrollen mitgespielt haben. Dabei aber, weil die Schriften apokryph wurden und zudem verschollen waren, auf ‘Intrigen aus dem Vatikan’ (Verschwörungstheorien) zu schliessen, greift zu kurz. - Zudem wird mit den Ausführungen von Petersen bald einmal klar, dass sich diese Schriften nicht 1:1 lesen lassen - die Gläserstärke unserer heutigen Brillen nicht wirklich scharf sehen. Dies macht sie vor allem deutlich an dem Motiv des Küssens, das (z.B.) im Phlippusev. auftaucht (u.a.) und zu Spekulationen betreff einer Liebesbeziehung (inkl. Kinder) zwischen Jesus und Maria verleitete. Dabei wird klar, dass das Küssen auf den Mund zu jener Zeit nicht per se erotisch aufgeladen war, sondern (sogar!) im Gottesdienst seinen Platz und eine andere Aussage/Bedeutung hatte.
Viele Hinweise auf das Christentum der Anfangszeit ist sehr spannend, auch gerade die Buntheit der ersten Entwürfe christlichen Lebens, bis sich diese zu einem einzigen ‘richtigen’ Christentum zusammen schlossen (und die andern dabei verteufelten oder zumindest der Häresie bezichtigten…)
Selbst die Adaption der ‘Maria Magdalena’ in Literatur und Film greift Petersen auf, um diese ursprünglich doch sehr zentrale Figur aus der Jesus-Bewegung zu beleuchten und zu differenzieren, was möglich und was wohl eher ‘Hirngespinst’ ist.
Das Buch ist insgesamt interessant, braucht aber doch Ausdauer beim Lesen - und vor allem ist man am Schluss nicht wirklich ‘schlauer’ - will sagen: was wir mit Sicherheit wissen, ist das, was wir in den Evangelien explizit von Maria aus Magdala wissen (beim Kreuz, bei der Auferstehung und einmal von Jesus geheilt) - und das bleibt nachwievor auf Deutung und Ausschmückung hin offen. Das mag ein wenig ernüchternd sein… Ist aber wohl Realität auch der anderen biblischen Personen.