“Von der Einwohnerzahl her ist Indonesien das viertgrößte Land der Erde nach China, Indien und den Vereinigten Staaten…” oder “ Einer von 27 Menschen auf dem Planeten ist Staatsbürger Indonesiens” …so steht es in den einleitenden Worten des Buches. So hatte es David Van Reybrouck geschafft, ich fühlte mich ertappt. Mein Gedchichtsverständnis ist geprägt von einer sehr europäischen Perspektive, Indonesiens Geschichte nur rudimentär bekannt. Der stille Riese in Südostasien schafft es kaum in unsere Wahrnehmung, und seine Geschichte ist vielen unbekannt. Mit seinem Buch über die Bewegung von der niederländischen Kolonie zur japanischen Besatzung und den blutgetränkten Guerillakriegsjahren in die endgültige Unabhängigkeit gelingt es ihm, den Einfluss auch auf andere Dekolonialisierungsbewegungen aufzuzeigen. Aber vorher führt er uns durch die Niederungen der niederländischen Kolonialpolitik. Nicht selten unterlegt der Belgier seine minutiösen Recherchen durch eindrückliche Interviews von den letzten noch lebenden Zeitzeugen. Er klagt an. Die Arroganz der Europäer, ihr Klassensystem und sein Einfluss auf das Bilden eines nationalen Bewusstsein, die Ausbeutung von “Niederländisch-Indien” durch die Kolonialherren, die beispiellosen Greueltaten beim Niederschlagen lokaler Aufstände beschreibt er schonungslos. Es mündet in eine vorerst begeistert empfangene neue Besatzung durch die Japaner im zweiten Weltkrieg. Doch mit zunehmender Defensive der Besatzer wird Hunger und willkürliche Gewalt wieder einkehren. Nach der Befreiung durch die Briten versuchen die alten Kolonialherren wieder Oberhand zu gewinnen, doch das Streben unter Suharto nach einer Indonesischen Nation lässt sich nicht mehr verhindern. Die blutgetränkte Abschieds- vorstellung beim Loslassen der Kolonie wird plastisch und eindrücklich geschildert. Zum Schluss zeigt der Autor den Einfluss auf, die diese schmerzvolle Revolution auf andere nach Freiheit strebende Völker hatte. Ihm gelingt es, menschliche Schicksale durch Zeitzeugen ergreifend zu schildern. Warum soll man sich dieses Buch in unserer kriegsversehrten Zeiten zumuten? Weil es Relationen aufzeigt, die helfen, auch aktuelle Konflikte einzuordnen. Weil es uns zwingt, unsere sehr beschränkte maximal europäische Dimension zu hinterfragen. Weil es ein ungemein kluges Buch ist, das differenziert Geschichte analysiert. Und natürlich auch, weil es verdammt mitreissend erzählt wird.