Das Buch kam im Wanderbuchpaket 2.0 zu mir. Von Katherine Webb hatte ich bislang noch nichts gelesen.
Ich habe “Frauen am Fluss” - der Originaltitel “The Hiding Places” gefällt mir besser - als Roman eingestuft, auch wenn die Geschichte viele Elemente des Krimis enthält. Schliesslich geschieht ein Mord!
Wer an moderne Erzähltechniken gewöhnt ist, sollte hier einen Gang zurückschalten. Katherine Webbs Erzähltempo fliesst dahin wie ein ruhiger Fluss und wirkt aus der Zeit gefallen, wenn man an unser überaus hektisches, fast getriebenes leben von heute denkt. Der Stil passt jedoch zur Geschichte, die in zwei Zeitebenen spielt: einmal 1922 und dann in einem frühreren Zeitraum, was zu erkennen aufmerksames Lesen verlangt, denn nur an Namen und kleinen Details wird der Zeitwechsel spürbar.
Die Hauptperson in 1922, Irene Hadleigh, frisch verheiratet mit Alistair Hadleigh, kommt zunächst ungemein spröde, fast sperrig, wie eine überkandilte Zicke daher. Eine Londonerin in der ländlichen Grafschaft Wiltshire, die ihr mit viel Natur und Tieren überhaupt nicht gefällt! Zudem pflegt Irene eine massive Esstörung und Minderwertigkeitskomplexe. Als Leserin verspüre ich Mühe, mich mit ihr anzufreunden. Auf Anhieb sympathisch ist die Pferdepflegerin Pudding Cartwright, welche die Reitpferde bei den Hadleighs pflegt. Das völlige Gegenteil von Irene Hadleigh!
Die Herzen der Leserinnen gewinnt auch sofort die Hauptfigur der zweiten Zeitebene, Clemmie Matlock, ein junges Bauernmädchen. Sie ist stumm und auch nicht des Lesens oder Schreibens mächtig, was ihr den Austausch mit ihren Schwestern und dem jungen Mann, Eli Tanner, in den sie sich verliebt, äusserst schwierig gestaltet. Sie ist darauf angewiesen, dass ihr die Leute die richtigen Fragen stellen, auf welche sie mit Nicken oder Kopfschütteln reagieren kann. Clemmie ist ein Naturkind, wie K. Webb es formuliert.
Katherine Webb zeichnet ein ungemein dichtes Geflecht von Beziehungen im Dorf Saughterford und die verschiedenen Charaktere sind sehr greifbar.
Wer sich auf “Die Frauen am Fluss” einlässt, fühlt beim Lesen eine Art Entschleunigung. Es ist das Eintauchen in eine ganz andere Zeit! Doch bei aller Ruhe ist die Spannung mit ihrer Sogwirkung im Hintergrund deutlich. Man will wissen, wie sich Irene Hadeigh nach dem brutalen Mord an ihrem überaus liebenswürdigen und vor allem weitum geschätzten Ehemann Alistair entwickelt. Und man fiebert mit der jungen Pudding, die darum kämpft, die Unschuld ihres als Mörder festgenommenen Bruders Donny nachzuweisen.
K. Webb spannt den Spannungsbogen sehr weit - lasst Euch auf die Zeitreise in das ländliche England ein!