Es ist offiziell: Ich liebe Delphine de Vigans Schreibstil und die Geschichten, die sie erzählt!
Warum? Weil kein Buch wie das andere klingt, sie mich auch sprachlich immer wieder überrascht und ihre Perspektiven und Themen einzigartig bzw. selten sind.
In “No und ich” erzählt die 13-jährige, hochbegabte Lou, die meist zurückhaltend ist, bei ungerechtem Verhalten anderen jedoch vernehmlich beispringt und einzig Mühe damit hat, Schnürsenkel zu binden, wie sie die fünf Jahre ältere No kennenlernt, die auf der Straße lebt. Für Lou, die sich in ihrem jugendlichen Idealismus nicht damit abfinden will, dass die Dinge sind, wie sie sind, ist schnell klar, dass sie No helfen will.
“[…], denn ich war sehr konzentriert, und in einem solchen Fall könnte sich ein Mammut auf meinen Turnschuhen wälzen, ich würde nichts merken.”
Die Bilder, die Lou verwendet, sind ungewöhnlich und treffend, ihre Beobachtungen schwanken zwischen erwachsen und kindlich unf sich selbst beschreibt sie mit viel Humor. Sie ist eher eine Außenseiterin, weil sie zwei Klassen übersprungen hat und somit allein optisch zwischen den anderen hervorsticht. Großen Halt gibt ihr Lucas, der bereits zwei Mal sitzen geblieben ist, sie immer “Krümel” nennt, auf eine liebevoll beschützende Art ihre Nähe sucht und ihr mit No unter die Arme greift.
“Du bist ganz klein, und du bist ganz groß, Krümel, und du hast vollkommen recht.”
Völlig frei von Ironie und mit ganz viel ehrlichem Interesse begegnen sich die drei Jugendlichen. Die Geschichte ist rückblickend in chronologischer Reihenfolge erzählt, das Ende wird gelegentlich angedeutet, was die ohnehin fesselnde Erzählung auch noch spannend macht.
Noch ein letzter Ausschnitt, in dem Lou ihre Reaktion auf Lucas’ Einladung zu sich nach Hause beschreibt:
"Panik in Disneyland, rote Warnlampen, Generalmobilmachung, biologischer Aufruhr, Kurzschluss, interne Karambolage, Not-Evakuierung, siderische Umlaufzeit.
“Äh… Danke… Nein… Ich kann nicht.” (Diese Dialogmächtigkeit, wie mein Vater sagen würde.)"
Ein in vielerlei Hinsicht beeindruckendes Büchlein zu unserem Umgang mit Obdachlosigkeit, mit dem nötigen Ernst, aber auch viel Leichtigkeit und Humor erzählt. Ganz klare Leseempfehlung!
Übersetzt von Doris Heinemann.