Wir landen im Frankreich des 19. Jahrhunderts, in dem die Brüder Goncourt als Bohèmes und Bonvivants leben. Als kongeniales Autorenduo werkeln sie seit dem Tod ihrer Mutter als wohlhabende Erben an ihren Texten und Romanen. Umsorgt werden sie von Rose, der Hausangestellten seit ihren Jugendjahren. Die profanen Dinge wie Einkäufe, Wäsche, Putzen und Kochen erledigt die dienstfertige Seele, und die Brüder sind ihr so dankbar dafür, dass sie die mässigen Kochkünste mit oft überraschenden und kaum geniessbaren Geschmackserlebnissen stoisch ertragen. Doch die Stütze des Künstlerhaushalts verbirgt ihr privates Drama vor den Brüdern. Sie ist einem Mann aus der Nachbarschaft verfallen. Dem schönen Boxer Alexandre hat sie eine Werkstatt als Handschuhmacher eingerichtet, und dafür reihum Leute um Geld gefragt. Obwohl Alexandre sie demütigt, benutzt und sie sogar für seine Mutter putzt, schiebt sie ihm Geld zu. Um ihm den Kriegsdienst zu ersparen, greift sie in die Haushaltskasse ihrer Herren. Schuldgefühle und Verzweiflung ob der Erniedrigung betäubt sie mit Alkohol. Erst als es zu spät ist, realisieren die Brüder, welch Drama das Leben von Rose war. Schon früh spürt Jules, der jüngere der Brüder, dass er wohl Syphillis aufgelesen hat. Sein Bruder führt das zunehmende Erkranken seines Bruders auf eine Überlastung seines Geistes zurück, und lange kann Jules das zunehmende Verfallen in der Gesellschaft verstecken und übertünchen. Doch dann setzt die Krankheit ihr Zerstörungswerk unbarmherzig fort und Jules degeneriert zu einem Schatten seiner selbst. Gemeinsam führten die Brüder ein akribisch geführtes Tagebuch, das den Verfall von Jules dokumentiert, am Schluss von Edmond, der den einstigen Ästheten Jules, der mit Esprit und Benehmen die besten Kreise von Paris beeindruckt hatte, zu einem stammelnden, dementen und unflätigen Schatten seiner früheren Existenzv verfallen sieht. Edmond verliert mit dem Tod des Bruders seine Inspirationsquelle, seinen Glauben und seinen Daseinszweck. Etwas stirbt in ihm beim elenden Siechtum und Sterben seines geliebten Bruders. Später wird sein Namen als Stifter eines Literaturpreises unsterblich. Claude Alain Sulzer gelingt es meisterhaft, dieses menschliche Drama der Brüder zu erzählen. Die Erzählweise passt zum Stoff, eher altmodisch und oft mit Sprachbildern versetzt, die auch mal aufgesetzt wirken. Dafür entschädigt der Roman mit Szenen, die unmittelbar berühren, mit präzis recherchierten Details, packender Dramaturgie und atmosphärischer Dichte, Claude Alain Sulzer beweist sich einmal mehr als Meister seiner Zunft.