Der Blick Bäumlins ins Markus-Evangelium ist verblüffend - er reiht für mich Aha-Erlebnis an Aha-Erlebnis - da wird ein Evangelium, das eher ein ‘Schattendasein’ führt, ins Licht gehoben - und man merkt, welch grosse Literatur sich hier in vergleichsweise wenigen Kapiteln entfaltet!
Bäumlin geht der Entstehung und dem Hintergrund des Evangeliums ebenso nach wie seiner Rezeption und Auslegung. Vieles, was ich schlichtweg überlas, bekam Aussagekraft und Klang - manches wurde aber auch erst jetzt hörbar, weil Bäumlin auf Fehlübersetzungen aufmerksam machte oder auf Übersetzungen, die bereits eine Art von Interpretation darstellen.
Markus als der erste, der das Leben Jesu ins Wort hebt, füllt quasi die ‘abstrakte’ Theologie von Kreuz und Auferstehung des Paulus mit Leben. Er ist jener, der den Frauen ebenso viel Gewicht gibt, wie den Emotionen Jesu - besonders letzteres ist mir bis dato noch gar nicht aufgefallen…
Bäumlin macht ebenso auf ganz kleine Fingerzeige im Text aufmerksam, wie z.B. die ‘politische Dimension’ der Heilung des Besessenen von Gerasa, wenn er dessen unreiner Geist sich als ‘Legion’ bezeichnen lässt - für damalige Leser/Hörer:innen eindeutig ‘römisch’ konnotiert!
Oder die Verdoppelungen mit ihrer Bedeutsamkeit/en: (z.B.) das Brotwunder: einmal 5 und ein mal 4 Tausend - das eine im jüdischen Gebiet, das andere in der (heidnischen) Dekapolis; die Überfahrt mit Sturm: das eine Mal mit Jesus erreichen sie die gegenüber liegende Seite - das andere Mal, als Jesus ‘als Gespenst’ übers Wasser kommt nicht - unversehens sind sie nämlich wieder auf der Seite, wo sie gestartet sind…
Für mich war die Lektüre ein Gewinn - man hat nie ‘ausgelesen’ - und noch weniger ‘ausgelotet’! Ich werde Bäumlins Gedanken weiter vertiefen - und das Buch sicher wieder zur Hand!