David Copperfield wird in eine Zeit hinein geboren, die ich persönlich als eine wahrhaft anstrengende, mühsame und verschleissende Zeit nennen würde. Wir befinden uns mitten in der Industrialisierung, die die Menschheit auf ein andere Level heben wird, aber zu einem hohen Preis. Höher, weiter und vor allem schneller wird in Zukunft die Menschen beschäftigen, eine Haltung, die bis heute andauert und noch immer Opfer fordert. Dickens beschreibt eine Welt im Umbruch, von der Beschaulichkeit vergangener Jahrhunderte katapultiert sich die Erdbevölkerung in die Moderne, in der viel Neues und Nützliches erfunden wird, aber oft auch wird übersehen, dass alles seine Kehrseite hat. Wer neues Gutes erfindet, der ist nie weit vom Bösen und Schlechten entfernt, da diese beiden oft Hand in Hand gehen. David Copperfield nun erfährt das am eigenen Leibe, als er in einer unmenschlichen Fabrik seinen Lebensunterhalt verdienen soll, eine anstrengende Arbeit, Ausbeutung und Misshandlungen sind normal. Der Held flieht zu seiner Tante, und erst von da an kann er eigentlich das tun, was ihm lieb und teuer ist: er wird Schriftsteller und führt ein einigermassen zufriedenes Leben weitab von Missbrauch und Kinderarbeit. Charles Dickens persönlichstes Buch, stark autobiographisch, hinterlässt es doch einen bitteren Geschmack im Mund. Der Autor hält sich nicht zurück mit Beschreibungen der Zustände dieser Zeit, aber er gibt Hoffnung, dass es auch lichte Momente im Leben der Menschen gegeben hat. Ein tolles Buch, fantastisch übersetzt, sehr modern und trotzdem seiner Zeit verhaftet. Man braucht bei 1000 Seiten zwar einen langen Atem, aber langweilig wird einem bei der Lektüre nie.