Ein klassisches Thema der Literatur, meisterhaft in “Madame Bovary”, “Effi Briest” oder eben in DIESEM Buch erzählt: junge Frau heiratet älteren Langweiler, die Zeit vergeht und es dauert nicht lange, bis die Ehe zu wackeln beginnt. Enden “Madame Bovary” und “Effi Briest” tragisch für die jungen Frauen, so ist in “Lady Chatterley” tiefe Hoffnung zu spüren, dass Constance Chatterley doch noch die grosse Liebe findet. Ihr Mann Clifford, der an den Beinen gelähmt und zeugungsunfähig aus dem 1. Weltkrieg zurückkehrt, findet Trost in der Literatur und im angeregten Gespräch mit seiner Pflegerin Mrs. Bolton. Dabei will ihm nicht so recht auffallen, dass seine Frau immer häufiger im Wald veschwindet, um sich mit dem Wildhüter Mellors (oder Parkin, wie er in der älteren Fassung dieses Klassikers heisst) sexuell zu vergnügen. Die beiden verlieben sich ineinander, obwohl es noch recht lange dauert, bis sie sich das eingestehen. Constance beschliesst, sich von ihrem Mann zu trennen und ein neues Leben an der Seite der kernigen Mellors anzufangen, auch wenn es noch einige Hürden zu überwinden gilt. Was dieses Buch auf jeden Fall besonders macht, ist die Tatsache, dass im Erscheinungsjahr 1928 die englische Gesellschaft nicht gerade eben vor erotischem Feuer sprühte. Verklemmtheit und ungeschicktes Werben waren damals noch an der Tagesordnung. Lawrence beschreibt eine junge Frau, die ihren Körper, ihr Begehren und ihre eigenen Wünsche entdeckt, ein emanzipatorisches Werk, das diese Entwicklung der unglücklichen Constance meisterhaft erzählt. Ein Buch, dem das Leben von Anfang schwer gemacht wurde, da man dieses “Wüstlingswerk” mit obszönen, erotischen Szenen gespickt am liebsten gleich wieder begraben hätte, aber der Autor setzte sich hartnäckig durch, und heute sind wir in der glücklichen Lage, ein erstaunlich modernes, unstaubiges Buch in Händen zu halten und zu geniessen.