Franz Misslinger ist auf dem Sprung, es muss ihm gelingen, der endgültige Griff nach der Macht in seiner Partei. Er sitzt schon im Bundestag, er ist Generalsekretär seiner Partei und nun will er mit dem Segen seines Mentors Walter, dem Grandseigneur und Patron seiner Partei Vorsitzender werden. Dann vielleicht noch Minister! Franz weiss um seine Stärken, seine Reden sind legendär, seine vitale Ausstrahlung und seine joviale Art kommen an. Er ist ein Gewinner, Misslinger nur sein Name. Ab und zu braucht er Pillen, wenn die Nervosität durchschlägt. Ab und zu lenkt er sich mit Chats auf Tinder ab. Ab und zu holen ihn Erinnerungen, sentimentale Erinnerungen an seine Jugend, seinen Vater und seine Frau, ein. Die sich nach einer Wohmung umsieht, denn ihre Liebe Franz hat sich zu weit entfernt. Und nun ist er mit seiner Tochter in New York, will die alles entscheidende Rede schreiben. Doch mit der Entfernung verliert er sich immer mehr, da will ein anderer Franz raus. Wollen wir Bücher über Politiker lesen? Das Buch erschien mir am Anfang eine Ansammlung von Klischees, dieser alternde Youngster mit seiner gebetsmühlenartigen Lobpreisung der Freiheit eine Karikatur und dass der Autor als Journalist und Herausgeber nahe an den deutschen Strippenzieher in der Politik tätig war, ein Grund mehr, das Buch wegzulegen. Dann aber entdeckt man, wie grossartig das Scheitern eines Menschen, der an seinem Selbstbild, seinen Slogans und Ansprüchen zerfällt, beschrieben wird. Das gelingt Jakob Augstein so gut, weil er diese Archetypen gut beobachtet hat und sie gut erzählt. Zusätzlich hat er ein gutes Händchen für bildhafte Szenen und beschreibt die Kulisse seines Plots exzellent. Schlussendlich schwant einem auch, dass Politiker Menschen sind, die der Machtapparat und Politbetrieb gnadenlos und unmenschlich aushöhlt. Das ist hier gut inszeniert und definitiv lesenswert.